
Karl Wolfskehl gehört zu den großen, fast vergessenen Stimmen des deutschen Exils. Seine Gedichte, geschrieben in der Fremde, sind Aufrufe zum geistigen Widerstand – voller Pathos, Klarheit und ungebrochener Sprachkraft. Warum es sich gerade heute lohnt, ihn (wieder) zu lesen, zeigt ein neuer Band, bei Quintus herausgegeben von Ralf Georg Czapla.
Schade, dass die Rechten keine Lyrik kennen – jedenfalls keine, die sie selbst betrifft. Dabei wäre es gerade jetzt so wichtig, Wolfskehl zu lesen. Karl Wolfskehl, der im deutschsprachigen Literaturbetrieb kaum noch vorkommt. Kaum ist aber zum Glück nicht nie, und deshalb sei an dieser Stelle der wunderbare Gedichtband Eure Sprache ist auch meine empfohlen, der vor knapp zwei Jahren im Quintus Verlag erschienen ist.
Ein Dichter des Widerstands
Karl Wolfskehl (1869–1948), Dichter, Essayist, Übersetzer – und vor allem: Emigrant aus Überzeugung. Geboren in eine jüdische Familie in Darmstadt, einst enger Vertrauter Stefan Georges, war er Teil jener geistigen Elite, die früh erkannte, was mit dem nationalsozialistischen Umbruch verloren ging. 1933 emigrierte er zunächst in die Schweiz, dann nach Italien und schließlich, nach dem Anschluss Österreichs, ins neuseeländische Auckland. Dort, fernab vom kulturellen Zentrum, schrieb er weiter – und wie. Seine Lyrik aus dem Exil ist keine Klage- oder Opferpoesie, sondern ein bewusster geistiger Widerstand: getragen von Pathos, ja, aber auch von Klarheit, Haltung und einer radikalen Treue zu Sprache und Ethos. Gerade heute lohnt es sich, diese Gedichte wiederzulesen – nicht aus Nostalgie, sondern aus Notwendigkeit.

Wolfskehl hatte sich nach 1934 vom George-Kreis gelöst, was dort wohl für Befremden gesorgt haben dürfte. Doch er musste reagieren – auf die Nazis, auf das Schweigen, auf den Verrat. 1933, kurz nach dem Reichstagsbrand, ging er ins Schweizer Exil, ein Jahr später weiter nach Italien.
Im titelgebenden Gedicht An die Deutschen ist ihm das Gemeinsame wichtig, nicht das Trennende. Wolfskehl schreibt:
Eure Sprache ist auch meine.
Eure Dichter sind auch meine.
Euer Schicksal ist auch meines.“
Ein Bekenntnis, das ebenso trotzig wie zärtlich ist – und heute wieder gelesen werden sollte. Nicht nur als Zeugnis der Vergangenheit, sondern als Warnung und Auftrag.
Ralf Georg Czapla, Eure Sprache ist auch meine, Gedichte aus dem italienischen Exil, Quintus 2023
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