Takis Würgers Roman „Für Polina“ – eine Liebesgeschichte, die von Musik getragen ist.

Takis Würger erzählt in Für Polina die Geschichte einer lebenslangen Liebe – voller Sehnsucht, Musik und Tragik.

Sein zweites Wort nach „Mama“ war „Mahler“. Und sie wollte wissen, warum Dostojewski die langweiligen Bücher so lang geschrieben hatte und Der Spieler so kurz. Er ist Hannes, sie Polina. Er verliebt sich, sie vielleicht auch. Auf jeden Fall will er – das Kind – nur noch mit ihr zusammen sein. Doch Hannes Prager versteht nicht, als ihm seine Mutter erklärt, Polina werde nun eine Weile weg sein. Ist es wirklich, weil sie ihrer Mutter Güneş in Istanbul zur Hand gehen muss? Hannes wartet nicht lange, sondern versucht nur noch, sich an den Klang ihrer Stimme zu erinnern.

Für Polina von Takis Würger ist ein sehr klangvoller Roman: Musik verbindet alles. Hannes Prager, das musikalisch hochbegabte Kind, komponiert früh eine Melodie für Polina. Jahre später, nach Trennungen und Verlusten, arbeitet er als Klaviertransporteur – äußerlich ein einfaches Leben, innerlich eine verpasste Chance. Auch seine Begegnungen sind – sagen wir – herb. Etwa mit seinem Kollegen, den alle „Bosch“ nennen, „weil er seine Arbeit mit der Ausdauer eines Schlagbohrers des deutschen Qualitätsunternehmens erledigte.“ Solche Sätze gefallen mir. Vielleicht darf es im Außen gar nicht so viel Denken geben, denn: „Er traf sie nachts in seinen Träumen, in den guten und in seinen Albträumen.“

Hannes fühlt sich wohl mit der Frau, mit der er jetzt zusammenlebt. Doch sie ist nicht Polina: „Leonie war kontrollierter, härter, manchmal dachte Hannes, zu sauber.“

Alles bricht nach außen

Und dann kommt dieser eine Moment: Hannes spielt die ursprüngliche Melodie – ein Video davon geht viral. Plötzlich bricht alles nach außen.

Würger erzählt eine Liebesgeschichte, die ans Herz geht, weil sie voller innerer Tragik ist. Hätte, wäre, wenn – es könnte so einfach sein, ist es aber nicht. Sprachlich setzt Würger auf starke Bilder und emotionale Zuspitzung. Viele Szenen sind intensiv verdichtet, die Figuren handeln aus der Kraft ihrer Gefühle. Gerade die Kombination aus persönlicher Hingabe und öffentlicher Wirkung – der virale Moment der Melodie – macht deutlich, wie eng privat und öffentlich hier verknüpft sind.

Kritisch betrachtet bewegt sich Würger nahe an der Grenze zum Kitsch. Manche Wendungen sind vorhersehbar, manche Figuren eher Archetypen als normale Menschen. Dennoch erreicht der Roman seine Leser emotional und stellt die Frage, welche Opfer ein Mensch für Liebe, Leidenschaft und Hingabe bereit ist. Mich hat das sehr berührt.

Für Polina ist keine historische Abhandlung, sondern eine intensive, fokussierte Liebesgeschichte. Wer sich auf emotionale Dichte und das Zusammenspiel von Liebe, Musik und persönlicher Hingabe einlässt, findet hier ein Buch, das bewegt – und nachklingt.

Takis Würger, geboren 1985, ist Journalist und Autor. Nach Stationen beim Spiegel und einem Studium in Cambridge hat er sich in den letzten Jahren ganz dem Schreiben von Romanen gewidmet.

Für Polina von Takis Würger ist 2025 bei Diogenes erschienen.