Für mich war es eine kleine Überraschung zu entdecken, dass diese Mauern nicht nur von Stein, sondern auch von Sprache geprägt sind. Und von Blumen.

Eigentlich habe ich die Angewohnheit, bei von mir besuchten Orten nach literarischen Bezügen Ausschau zu halten. Haben dichtende Menschen hier ihre Spuren hinterlassen? Beim Kloster Möllenbeck in Rinteln, das ich schon seit frühen Schulzeiten wegen des dortigen Jugendgästehauses kenne, bin ich allerdings erst jetzt darauf gekommen. Dass es hier einen Subprior namens Konrad Hojer gab, der sich anno 1611 (so lange ist das her!) sogar mit einer Dichterkrone schmücken durfte, ist vollends an mir vorbeigegangen. Na ja – und bei der eigenen Hochzeit, die ich vor jetzt neun Jahren in der angrenzenden Kloster-Gastronomie gefeiert habe, hatte ich noch anderes im Sinn.

Konrad Hojer wurde 1558 in Lüdenhausen, Grafschaft Lippe, geboren und war seit 1583 als Bruder im Kloster Möllenbeck tätig. Dort hielt er 1599 die Leichenpredigt beim Begräbnis des erwählten Mindener Bischofs Anton. 1603 wurde er Viceprior in Möllenbeck. Im Juni 1611 wurde ihm vom Pfalzgrafen Michael Meier die Dichterkrone verliehen. Er starb vermutlich im März 1626.

Hojer, dessen Texte heute nur schwer zugänglich sind, war kein Fabulierer im eigentlichen Sinn, sondern Verfasser von Katechesen, Gebeten und Kirchenliedern, in denen er seine Glaubenslehre poetisch verdichtete. In einem Sammelband von 1614 notierte er zu seinen Versen: „Von mich in deutsche Reime gesetzet“ – ein bescheidener Hinweis, der zugleich zeigt, wie sehr er bemüht war, Glaubensinhalte in eine zugängliche Sprache zu übertragen. Einige seiner Verse sind noch überliefert, zum Beispiel:

„Herr, nun lass dein Diener ruhen, / dein Wort hat mir den Trost getan.“

Evangelische Klöster waren damals alles andere als selbstverständlich.

1623 veröffentlichte Hojer dann ein weiteres Werk, das besonders eng mit Möllenbeck verbunden ist. Darin verteidigte er das evangelische Klosterleben – eine ungewöhnliche Apologie, denn evangelische Klöster waren damals alles andere als selbstverständlich. Mit der Reformation hatte sich das katholische Stift zu einem evangelischen Kloster gewandelt – ein seltener Sonderweg, denn viele Einrichtungen wurden in dieser Zeit schlicht aufgelöst. Die Nähe zur Rintelner Universität machte Möllenbeck zusätzlich zu einem geistigen Brennpunkt. Schon der lateinische Originaltitel macht Hojers Anliegen sichtbar:

„De fundatione Monasterii Mollenbeccensis, et necessitate ordinis evangelici“

„Über die Gründung des Klosters Möllenbeck und die Notwendigkeit des evangelischen Ordenslebens“.

Wenn man heute am Kloster steht, vielleicht auch im Kirchenschiff den Blick nach oben richtet, lassen sich Hojers Worte fast mitdenken. Der Klang seiner Lieder, die Mischung aus Latein und Deutsch, passen zu diesem Raum.

Heute ist das Kloster Möllenbeck kein Wohnort für Dichter mehr, aber es bleibt ein kultureller Resonanzraum. Konzerte, Ausstellungen und gelegentliche Lesungen füllen den Ort mit neuer Stimme. Für mich war es eine kleine Überraschung zu entdecken, dass diese Mauern nicht nur von Stein, sondern auch von Sprache geprägt sind. Und dass ich dort – im Klostergarten – als junger Schüler Gitarre gespielt habe, gehört zu meinen schönsten Erinnerungen an die erste Klassenfahrt. Von Hojer habe ich damals natürlich nichts gewusst. Das kam erst ein knappes halbes Jahrhundert später – genauer gesagt: vorige Woche. Die gotischen Bögen und hohen Mauern haben auch meiner Kamera gut gefallen.