
Maria und Josef Moosbrugger sind ein schönes Paar – und doch täuscht der äußere Schein. Schönheit kann die Wirklichkeit überblenden, und für manche wirkt sie fremdartig, fast bedrohlich.
Die Moosbruggers leben mit ihren vier Kindern am Rand eines österreichischen Bergdorfs, abseits der Welt der Abseitigen. Monika Helfer erzählt die eigene Geschichte in ihrem Roman Die Bagage.
Die Familie verdient ihr Brot mit einfachen, körperlichen Tätigkeiten – schon der Urgroßvater war „Träger“, der die Heuballen der Bauern in die Scheunen schleppte. Als Josef in den Ersten Weltkrieg ziehen muss, übergibt er die Verantwortung für Maria an den Bürgermeister – damals üblich. Josef selbst vertraut ohnehin niemandem, weil er in dubiose Geschäfte verwickelt ist. Als Gegenleistung bietet er dem Bürgermeister an, nach dem Krieg die Rechnungsbücher zu frisieren.
Während Josef an der Front ist, gerät Maria in eine schwierige Lage: Sie wird schwanger. Von wem? War es der Bürgermeister, der ihr gern nahekam, oder Georg, ein freundlicher Gast aus Hannover? Maria schweigt. Auch der Bürgermeister gibt keine Antwort. In ihrer Verzweiflung trinkt Maria eine Flasche Schnaps, die eigentlich zur Wunddesinfektion gedacht war, als sie erfährt, dass Georg verschwunden ist.
Für die Dorfbewohner ist die Sache klar: Josef kann es nicht gewesen sein, er war ja im Krieg. Doch auch Josef selbst wird misstrauisch und ignoriert das Kind – ein Gespräch mit Grete wird es nie geben.
Mehr als Heuballen
Helfer spielt meisterhaft mit der Sprachlosigkeit ihrer Figuren. Viele Dinge bleiben unausgesprochen – entweder, weil sie nicht sein dürfen oder weil es keine Worte dafür gibt. Auch die Sprache des Romans selbst ist einfach, bewusst reduziert: „Josef liebte seine Frau“, heißt es einmal, und: „Er hat dieses Wort nie selbst gesagt. Es gab dieses Wort in der Mundart nicht.“ Gerade diese Schlichtheit macht den Text tiefsinnig – wie das Leben selbst.Besonders eindrucksvoll ist die Perspektive der Frauen und der Zurückgebliebenen.
Während Literatur und Film meist von den Männerdominierten Stahlgewittern an den Schützengräben berichten, zeigt Helfer, welches Gepäck – also welche Bagage – die Frauen tragen müssen. Heuballen allein sind das nicht.
Grete, die Mutter der Erzählerin, bildet die Verbindung zur realen Herkunft. Helfer stützt sich auf das Wissen ihrer Tante Käthe, bei der sie nach dem Tod ihrer Mutter Grete im Alter von elf Jahren aufwuchs.
Die Bagage von Monika Helfer erschien 2020 bei Hanser – ein Roman, der sanft, aber eindringlich zeigt, wie Geschichte, Familie und Schweigen ein Leben prägen.
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