
Wer die Ruine Hohenfels über Sipplingen besucht, begegnet nicht nur Mauern und Ausblicken, sondern auch Geschichten. Neben dem Minnesänger Burkart, der hier im 13. Jahrhundert gelebt haben soll, hat sich eine Sage erhalten, die von einem wohltätigen Burgfräulein erzählt. Karl Lachmann, einer der Begründer der deutschen Philologie, hat sie im 19. Jahrhundert aufgezeichnet. Sie klingt bis heute nach – dunkel, tragisch und geheimnisvoll.
Auf der Burg Hohenfels lebte einst ein junges Fräulein, das für ihre Mildtätigkeit bekannt war. Sie teilte Nahrung und Kleidung mit den Armen der Umgebung und half, wo sie konnte. Sipplingen soll deswegen früher sogar Supplingen geheißen haben.
Doch ihre Freigebigkeit erregte den Zorn ihrer Brüder. Sie hielten ihr Verhalten für Verschwendung und entehrten sie grausam: in manchen Fassungen stießen sie sie in den Burgbrunnen, in anderen musste sie zur Strafe aus einem goldenen Trog trinken – jedoch mit einem Schweinerüssel anstelle des Mundes.
Seither, so erzählt die Sage, findet ihre Seele keine Ruhe. In Nächten erscheint sie als weiße Gestalt auf den Mauern der Burg. Wer ihr begegnet, erkennt in ihr nicht nur eine Geistergestalt, sondern die Erinnerung an ein Unrecht, das bis heute nachklingt.
Wer heute durch die verfallenen Mauern von Hohenfels streift, ahnt nichts mehr von Brunnen und Trog, von Schuld und Strafe. Und doch haftet dem Ort eine besondere Stille an – als ob die alten Stimmen noch im Gemäuer verweilen. Vielleicht ist es genau das, was solche Sagen bewirken: Sie geben der Landschaft eine zweite Ebene, lassen uns hinter die Steine blicken und erinnern daran, dass auch Orte ihre Geschichten nicht vergessen.
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