Nachrichten aus dem Vorlass
Neun Gedichte über Sprache, Fassaden und das, was bleibt
„Sie klingt aus mir,
wie ich es will.“
(aus: Sprache)
Dankbar
Hingeworfene Zeilen
Retten das Leben.
Abgelebte Leiden
Bauen ein Land.
Weggeworfene Gedanken
Zerreißen die Schranken.
Und dankbar blickst du ins Tal,
wo Nebel aufsteigt,
und alles atmet.
Kalt
Das Einsame suchend
Und findend,
Und kalten Kakao trinkend,
Und Käsetorte essend.
Es schmeckt mir.
Die das Banale hassen,
Sind suchend,
Und hassen den Geschmack der Milch,
Und zerfressen das Ich.
Es schmeckt ihnen nicht.
Sie lachen über dich.
Und ernten Lob dafür,
Und wieder Lob dafür.
Es schmeckt ihnen nicht.
Das Einsame suchend
Und findend,
Und kalten Kakao trinkend,
Und Käsetorte essend.
O ja, es schmeckt.
Verschieben
Jeder baut die Stadt für immer,
Und jeder weiß, dass er dann tot ist.
Jeder hat beizeiten Kummer,
Und schlägt sich trotzdem durch.
Und heute kann ich viel besorgen,
Und werde doch nicht fertig.
So verschieb ich gern auf morgen,
Und schlag mich trotzdem durch.
Und heute gehe ich noch nicht weiter,
Besorg erstmal, was gestern war.
Was ich will, will ich auch morgen.
Mir reicht das, ich seh es klar.
Brainstorm
Der Kopf schmerzt. Weil er,
weil er im Kollektiv gefordert ist.
Es hämmert im Sekundentakt.
Es klackt.
Es klackt.
Und jetzt.
Und jetzt.
Alle Augen auf dich gerichtet.
Sie richten aus.
Sie richten hin.
Sie blicken weg.
Sie klicken weg.
Von sich.
Auf mich.
Was, wenn mir nichts einfällt?
Sie werden sich nicht erinnern.
Sie werden mich nicht mehr fragen.
Nie mehr.
Nie mehr.
Und ich?
Ich sage nichts.
Noch nicht.
Fassadenläufer
Fassadenläufer.
Fassadensäufer.
Mein Leben muss gut sein.
Mein Leben muss reich sein.
Mein Leben muss gesund sein.
Mein Leben will bewundert werden.
Mein Haus.
Mein Konto.
Mein Urlaub.
Mein Profil.
Dass ich nichts habe.
Dass ich krank bin.
Dass ich verloren bin.
Geht dich nichts an.
Doch ich weiß,
dass es dir genauso geht.
Fassadenläufer.
Fassadensäufer.
Sprache
Sie liegt nicht einfach da,
Laut um Laut und stumm.
Sie wird wahr,
weil ich es will.
Sie spricht mit mir,
weil ich es will.
Sie singt mit mir,
weil ich es will.
Sie lügt mit mir,
weil ich es will.
Sie schweigt mit mir,
obwohl ich es will.
Sie klingt aus mir,
wie ich es will.
Ich will gut zu ihr sein.
Eis
Eisige Zeiten,
die uns Stürme bereiten.
Die uns vorbereiten
auf das große Nichts.
Auf das, was nichts mehr hält.
Auf das, was keine Bedeutung mehr hat.
In diesem letzten Moment,
wenn die Eisbrecher kommen.
Wir wussten es.
Schon immer.
Friedhöfe
Ich gehe so gerne auf Friedhöfe.
Weil die hier liegen
nicht mehr nerven.
Weil die hier liegen
nicht mehr lügen.
Weil die hier liegen
meine Freunde sind.
Sie tuscheln im besten Fall
nicht übereinander.
Und sind mit sich zufrieden.
Sie sind der Friede in Person.
Schade nur:
sie zerfallen.
Enttäuscht
Der Schmerz ist da.
Doch Schmerz wird kleiner.
Denn du bist ja jetzt enttäuscht.
Denn es ist wahr.
Und das weiß keiner.
Vorher hatte man dich getäuscht.
Der Tausch ist gut.
Der Tausch befreit.
Und Schmerz wird kleiner.
Denn du bist jetzt frei.
Denn es ist wahr.
Und das weiß keiner.
Vorher hatte man dich getäuscht.