
Wer hier ab und zu mitliest, weiß vielleicht, dass ich eine Schwäche für alte und sehr alte Bücher habe. In diesem Beitrag geht es um einen Bildband, der heute meist nur noch in Antiquariaten erhältlich ist: Das Buch der Jahreszeiten, herausgegeben 1927 von Herbert Dubler. Ein Werk, das eindrucksvoll zeigt, wie sich unsere Wahrnehmung von Fotografie und Bildkunst im Lauf der Jahrzehnte verändert hat.
Heute wird viel fotografiert – oft entstehen Bilder, die eher Massenware als Kunst sind. Ein Bild wird erst dann zur Kunst, wenn es über den Schnappschuss hinausgeht, technisch überzeugt und zeitlos ist. Alte Bildbände wie dieser machen den Unterschied besonders deutlich: Hier steckt Wertigkeit in jedem Detail, in der Auswahl der Motive und in der präzisen Umsetzung.
Der Bildband, erschienen im Verlag Josef Müller, ist ein echtes Gesamtkunstwerk, hergestellt in Tiefdruck und Offsetverfahren der hauseigenen Werkstätten. Die Fotos haben auch nach fast hundert Jahren eine unglaubliche Tiefe und erzeugen eine fast filmische Atmosphäre: Berge, Schnee, Eis, Blumenwiesen, Wasser, Menschen – klein vor der Natur, Kinder in ihrer Unschuld. Besonders eindrücklich ist das Motiv einer Frau mit Sonnenschirm am Ende des Frühlings, das auch den Schutzumschlag zierte.
Renommierte Fotokünstler
Hinter diesen Bildern stehen renommierte Fotografen wie Albert Steiner, Jean Gaberell und Hans Kainz, die verschiedene Alpenregionen in ihrer ganzen Vielfalt dokumentierten. Vom sanften Frühling der Voralpen über schroffe Hochgebirgspässe bis zu glitzernden Gletscherlandschaften – jede Aufnahme vermittelt nicht nur die physische Landschaft, sondern auch eine Stimmung, die zwischen Ehrfurcht und Kontemplation schwankt.
Was heute wieder modern ist, war damals in der Fotografie neu. Die Wahl der Motive, die Komposition, das Spiel von Licht und Schatten – all das macht den Band zu einem Zeugnis der Fotografiegeschichte. Begleitend wenige Worte von Joseph Bernhart beschreiben die Natur als alles beherrschend, mit eigenem Gesetz und Geheimnis, dem sich der Mensch unterordnet.
Die Natur ist weder gut noch gerecht, und der Mensch bleibt ihr gegenüber immer verhaftet. Die Tiefdrucktechnik, kombiniert mit hochwertigem Papier, verstärkt diesen Eindruck, indem selbst kleinste Details scharf hervortreten – von der Struktur der Blätter bis zum Glitzern von Eiskristallen.
Die Fotografien wirken so lebendig, dass sie fast wie gestern aufgenommen erscheinen – und doch erinnern sie uns daran, wie sich Welt und Natur seit 1927 verändert haben. Manche Aspekte der Vergangenheit rufen Melancholie hervor, andere zeigen, dass nicht alles früher besser war – aber vieles ist beeindruckender.
Ich selbst erhielt den Bildband vor über 20 Jahren aus einem Nachlass. Seitdem faszinieren mich die Fotos immer wieder. Sie eignen sich auch als Kulisse für andere Werke der Bergliteratur, etwa Ulrich Bräkers Der arme Mann im Tockenburg oder Robert Seethalers Ein ganzes Leben. Ein Antiquariatstipp: Erstausgaben sind heute etwa ab 20 Euro zu finden.

Das Buch der Jahreszeiten, herausgegeben von Dr. Herbert Dubler, Verlag Josef Müller, 1927 – ein Klassiker, der Fotografie, Kunst und Natur in zeitloser Symbiose vereint.
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